Die Idee zu einem improvisierenden Streichorchester entstand Anfang der 1980er Jahre aus
Improvisations-Workshops des Kulturzentrums Wilde Rose in Melle, die von Peter Bayreuther und Willem
Schulz angeboten wurden. Die Gründung des Ersten Improvisierenden Streichorchesters
E.I.S. erfolgte im November 1984 an der Universität Oldenburg mit einem ersten Konzert.
Grundlegende Charakteristika des Ersten Improvisierenden Streichorchesters E.I.S. sind basis-demokratische Struktur - um die auch immer wieder neu gerungen wird -, initiativ-abhängig wechselnde Projektplanung und -leitung, undogmatische Offenheit für Musik aller Art, kein Dirigat, Proben als Workshops für einen experimentellen Umgang mit Instrument, Körper, Kollektiv und Raum sowie die Entwicklung der Konzepte zu performativen Inszenierungen.
Aber geht das überhaupt? Ein Orchester ohne Dirigent, das auch noch improvisiert? So etwas gab es zu Zeiten der Gründung des E.I.S. nicht. Sie wollten es versuchen. Es sollte ein groß angelegtes Experiment werden. Über Jahrzehnte bis heute.
Die Kunst der Improvisation lässt sich in allen möglichen Formen und Anteilen verwirklichen. Diese als Freiheit der Fantasie und des Augenblicks im Verhältnis zu Verabredungen, Konzepten oder Kompositionen in Balance zu bringen, ist die große Herausforderung, der sich die Spieler*innen in jeder Aufführung aufs Neue stellen. Entscheidend ist die Qualität des Hörens.
Freie Improvisation, völlig ohne Noten, ohne Sitzordnung in freier Bewegung, offen dafür, was entstehen mag. Wie auf einem Marktplatz bilden sich Gruppen, die ihr Ding machen, kommunizieren und sich wieder auflösen, neu formieren oder einfach beobachten, was sich tut und wo es für sich selber weitergehen will. Auch Noten wurden geschrieben, Themen wie im Jazz, die in Improvisationen übergehen. Klangteppiche, auf denen sich freie Soli entfalten. Minimal-Stücke, die sich nach Gehör aufbauen. Tangos für politische Aktionen. Aber auch bildhafte und inhaltliche Imaginationen. Und nicht zuletzt Bewegungs- und Inszenierungskonzepte, um die jeweiligen Konzerträume als Ganzes, aber auch Open-Air-Situationen in Städten und Landschaften erfahrbar zu machen. Und Improvisation als eine Chance zur Erweiterung der Kommunikation im öffentlichen Alltag zu nutzen.
Das E.I.S. zeichnet sich nicht nur durch seine einzigartigen Konzertprogramme aus - z.B. in den jährlichen Friedenskonzerten (s.u.) -, sondern auch durch großräumige musikalisch-szenische Bespielung von Stadtteilen und Landschaften (musikalische LandArt). Wie 1995 „ting II“ auf Spiekeroog - Musik für eine Insel: 7 Konzerte an 7 Orten zu 7 Zeiten oder die über 8 Jahre währende Begleitung der Entstehung der Hamburger Hafencity im Rahmen des Langzeitprojekts "tune" (2002-2008; Fotos)
Hat Frieden einen besonderen
Klang? Die Friedenskonzerte schaffen einen Raum, in dem Musizierende und Hörende dieser Frage nachspüren können.
Seit dem 11. September 2001 spielt das Erste Improvisierende Streich-orchester Friedenskonzerte. Hiermit verwirklicht das Orchester seinen Wunsch, den Kriegs- und Flucht-Katastrophen etwas entgegenzusetzen, ein Wunsch, der in jüngster Zeit drängender denn je geworden ist, nicht nur in Europa. Jedes Jahr sterben zigtausende Menschen in bewaffneten Konflikten und Millionen befinden sich auf der Flucht.
Die Benefizkonzerte drücken Sehnsucht nach Frieden, Lebendigkeit und Vielfalt aus.
Darüber hinaus sind die traditionell überwiegend am vierten Advent stattfindenden Friedenskonzerte ein Zeichen der Solidarität mit geflüchteten Menschen (Spendensammlung).
s. auch Archiv und https://www.musik-for.uni-oldenburg.de/eis/
Becker, Maria, 1988: Demokratische Strukturen in Orchestern am Beispiel der Arbeit des „Ersten Improvisierenden Streichorchesters“. Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung, Musikhochschule Hamburg (pdf im Archiv)
Beckmann, Jochen, 1988: Die Entwicklung der Improvisation und ihr Einsatz im „Ersten improvisierenden Streichorchester". Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung, Universität Bremen
Stroh, Wolfgang Martin, 1994: Handbuch New Age Musik, ConBrio, Regensburg